[ zurück/retour ]

Heinz Treiber

Vernissage Freitag, 24.02.2023, 18.00 Uhr
Einführung Dr. Susanne Ramm-Weber
(Kunstwissenschaftlerin)
Ausstellungsdauer Freitag, 24.02.2023 bis
Donnerstag, 06.04.2023
Künstlergespräch
Freitag, 17.03.2023, 18.00 Uhr


Das vielseitige Werk von Heinz Treiber aus Ettenheimmünster hat sich über fünfzig Jahre entwickelt. Malerei, Arbeiten auf Papier und Skulpturen sind entstanden.

Der Künstler bleibt in sich selbst aktuell.

Überaus versiert, was die technischen Möglichkeiten angeht, reicht seine Formensprache im Werk von altmeisterlich über den gestischen Schwung, bis ins minimalistisch Reduzierte, Linienschraffuren, konzentriert, gelegentlich mit  dem Lineal, meistens Freihand. "Man muss das Weiß respektieren."

In seiner Bandbreite ist das Werk zum ersten Mal in der Ortenau zu sehen.

Der Kunstverein ehrt Heinz Treiber zum 80. Geburtstag.




HORTENSIE


FELDER VI

Hier die Rede von Frau Dr. Susanne Ramm-Weber zur Vernissage

Dr. Susanne Ramm-Weber, Kunstwissenschaftlerin, Offenburg
ramm-weber@t-online.de

Heinz Treiber
Kunstverein Offenburg
Ausstellungseröffnung
24.02.2023


Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Heinz und liebe Linda,

es ist mir heute eine ganz besondere Freude, in diese Ausstellung einzuführen. Es ist geradezu ein Herzenswunsch diese Arbeiten von Heinz Treiber hier zeigen zu können, denn ich schätze sie zum Einen sehr, zum Zweiten war das Werk in dieser Breite in Offenburg noch nicht zu sehen, obwohl Heinz Treiber aus Ettenheimmünster in der Region wahrlich nicht unbekannt ist. Seit Jahrzehnten unterrichtet er an der Kunstschule Offenburg in diversen Techniken. Ich selbst nahm vor fast zehn Jahren an einem Kurs „freies Zeichnen nach experimenteller Musik“ teil, Reaktion auf Rhythmus und Klang. Bereits Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre hat der Künstler intensiv zu Werken von György Ligeti, Luigi Dallapiccola oder Rimskij-Korsakows berühmter Sheherazade Arbeiten verfasst. Nach Musik zu arbeiten ist nur eine von unzähligen Bildfindungsmöglichkeiten.

Wie kommt also ein Bild zustande? Wann ist ein Bild ein Bild? Der Basler Kunsthistoriker Gottfried Boehm stellte in einer Publikation die Frage „Was ist ein Bild?“ Das sind große Fragen, ich möchte mich auf wenige konkrete Aspekte beschränken, nicht zuletzt angesichts der „leeren Zwischenräume“ im Bild.

Zum einen ist ein Bild ein Bild, wenn der Künstler sagt, „nun ist es fertig“, fecit, er hat es gemacht. Ich beziehe mich im Folgenden auf die Linienzeichnungen. Diese Entscheidung über den Schlusspunkt zu treffen, fällt mal leichter, mal schwerer. Manchmal überrascht Heinz Treiber sich selbst, schaut die Arbeit am nächsten Tag wieder an und siehe, da ist sie schon fertig. Es ist diese Fähigkeit des Künstlers, auf sein Bild und sich selbst zu achten, über das Gefühl und den Sehsinn nicht hinwegzugehen, nicht einfach weiter zu machen, sondern innezuhalten, zu schauen, das Bild sprechen zu lassen, im Grunde sein eigener Betrachter und Beobachter zu sein und dann erst wieder zum Handwerkszeug zu greifen, um eventuell doch noch hier und da eine Ergänzung, eine Korrektur, eine Verwerfung anzubringen. Diese letzte Entscheidung und vielmehr die ständigen Entscheidungsprozesse des Künstlers sind ein wesentlicher Aspekt der Bild-Produktion.

Zum zweiten ist ein Bild ein Bild, wenn jemand anderer einen wohlwollend kritischen Blick auf das für fertig entschiedene Werk wirft. Nun hat Heinz Treiber das Glück, mit Linda eine Frau an seiner Seite zu haben, die über den professionellen Galeristenblick verfügt, und dezidiert ihre Meinung zu vertreten weiß. Die Entscheidung, die Akzeptanz oder Ablehnung durch den Betrachter, der Kommentar des ersten Betrachters ist genauso wesentlich, und fließt ein, noch bevor Heinz Treiber sein Bild in der Öffentlichkeit präsentiert.

Zum dritten ist ein Bild ein Bild, wenn ein Betrachter im Allgemeinen es als solches erkennt. Darin können die Meinungen am weitesten auseinander gehen. Denn das eine Bild trifft auf ganz verschieden geprägte Wahrnehmungen, einer sieht so, ein anderer anders. Sehen wir das Gleiche? Reden wir über das Gleiche? Sofort wird der soziale Aspekt der Kunst, das Bild als ein Drittes des Vergleichs, anhand dessen wir uns überprüfen und austauschen können, deutlich.

In diesem Spannungsfeld steht das Bild, das Werk selbst. Es mag eine Form, einen Inhalt haben, eine Erscheinung in einem bestimmten Raum, im Atelier, im Lager oder in einer Ausstellung. An jedem Ort wirkt es anders und der Raum wirkt auf die Wahrnehmung des Bildes. Bleiben wir einen Moment bei den Arbeiten, die auf der Einladungskarte abgedruckt sind, sie provozieren Fragen. Eine Zweiheit ist deutlich sichtbar in der einen Arbeit. Wie verhalten sich die Bereiche zueinander, wie sind sie entstanden? Welche Rolle spielen Abstände? Was sagen ihre Farben aus? Du und ich, ich und Du, sagt der Künstler selbst, und spricht von Reihungen, Flechtungen und Gegenüber. Mir fällt da gleich Martin Buber ein, das Ich am Du. In der anderen, etwas älteren Arbeit sind die Linien von freier Hand gezogen, eine gewisse Unregelmäßigkeit lässt sie atmen, Überlagerung und Verdichtung ist hier ein Thema. In den letzten Jahren nimmt die Reduktion im Werk immer mehr zu.
Auf meine Frage, warum auf manchen Blättern nur wenig an Formation zu sehen ist, antwortet der Künstler: „Man muss das Weiß respektieren“.

Heinz Treiber absolviert das Studium von 1965 bis 1969 nach einer Lehre als Stahl-Graveur, an der Akademie für Bildende Künste in Stuttgart in den Malklassen von Rudolf Haegele und Heinz Trökes. Auch ist er Mitbegründer der Pforzheimer Galerie
Brötzinger Art. Wir können insgesamt mehr als fünfzig Jahre seines kreativen Schaffens überblicken, ein halbes Jahrhundert, das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Geschenk. Hier ist Allerneuestes und Älteres vom Beginn der Neunziger Jahre ausgestellt. Der Künstler bleibt jedoch in sich selbst aktuell, im eigenen Jetzt. Überaus versiert, was die technischen Möglichkeiten angeht, reicht seine Formensprache im Werk von ganz altmeisterlich über den gestischen Schwung, bis hin ins minimalistisch Reduzierte, Linienschraffuren, konzentriert, gelegentlich mit dem Lineal, meistens Freihand. Das Werk geht durch die Zeit, in den siebziger Jahren entstehen Sportbilder, sie sind sehr glatt, sehr minutiös gearbeitet, jede Falte eines Badeanzugs oder einer Sporthose ist ausgearbeitet, in der Palette eher kalt, in meiner Assoziation ähnlich wie die Werke von Lambert Maria Wintersberger, oder die Hosenbilder von Dieter Krieg aus jenen Jahren. Die Zeit schreibt sich ins Werk ein. Nach dem Informel der fünfziger und sechziger Jahre durfte es wieder figürlich sein. Die Auseinandersetzung mit dem Körperlichen geht bei Heinz Treiber meist mit viel Bewegung einher, die aus dem Malgestus kommt, man erahnt es nicht, wenn man hier die ganz reduzierten Arbeiten sieht. Arbeiten aus der ruhigen Hand und Arbeiten, die das Handgelenk, den Arm, den ganzen Körper beteiligen. Arbeiten, die aus dem Körper entstanden sind, sehen Sie hier im ersten Raum.

Dann gibt es eine Phase, in der Arbeiten in Weiß auf Weiß entstehen, in einer weiteren Phase um 2012 widmet sich Heinz Treiber Kreisen, die sich überlagern, die sich drehen lassen, auch der Schritt ins Dreidimensionale ist im Werk wichtig, die Farbigkeit der Kreise im pastellig-bonbonfarbenen. Sie erscheinen als eine besondere Facette im Werk und fordern die Wahrnehmung heraus. Eindrücke von einem Monat in Nicaragua, wo die Tochter einige Jahre lebte, waren hierzu die Anregung. Weiß man um diese Inspiration nicht, so mag man sich wundern, wo diese Farben plötzlich herkommen. Gesehenes findet seinen Niederschlag. Das Werk geht phasenweise voran. Alle Arbeiten entstehen in Serie, zahllose Notizen begleiten, gehen voran, deuten an, was dann auf dem Papier als ein Entwurf in trefflicher Sicherheit entsteht. Regelmäßigkeit, die gebrochen wird, die der einkalkulierte Zufall stört. Ein anderes Vorgehen ist die ganz exakte Arbeit mit Schablone.

Wenn ich mir das Werk und die Arbeitsweise anschaue, dann fällt es mir schwer, eine „-ismus“ - Einordnung vorzunehmen. Einordnung sorgt auf der anderen Seite für Ausschluss. In diesem Werk ist alles, von der Figürlichkeit bis zur Reduktion auf Minimales, vorhanden. Was soll man da ausschließen? Zunehmend scheint es jetzt in Richtung Reduktion zu gehen. Weniger ist mehr. Je weniger auf dem Papier ist, umso mehr atmet das Papier, das Weiß, die Leere, vielleicht auch das Nichts, das Existentielle. Philosophische Fragestellungen sind impliziert. Arbeiten mit nur drei Bögen, ein Triptychon ist in den letzten zwei Jahren entstanden, es ist eine Abstraktion in Anlehnung an die Arbeit „Heiliger Hain“ von Arnold Boecklin, die im Basler Kunstmuseum zu sehen ist. Das Abstrahierte, Reduzierte hebt auf dem Weiß das Gemachte, Gezeichnete, Vorhandene, Gesetzte. Bevor die Linie auf dem Papier erscheint, ist sie als Gedanke vorhanden. Anders ist die Treffsicherheit, die Präzision ihrer Lage auf dem Papier nicht zu erklären.

Im Ganzen werden im Werk Lebensstadien sichtbar, wobei der Künstler stets sich selbst treu bleibt, die Präzision zieht sich durch das Lebenswerk. Damit gehört Heinz Treiber für mich zu den Großen. Ich möchte an dieser Stelle auch ganz herzlich Martin Sander danken, ohne seine Arbeit wäre eine solche Ausstellung nicht möglich. Am Freitag, den 17. März findet um 18 Uhr ein Gespräch mit dem Künstler statt, zu dem ich herzlich einlade. Selbstverständlich können Sie Arbeiten käuflich erwerben.

Nun wünsche ich Ihnen viel Freude an den Arbeiten, ein reiches Maß an Schaulust, suchen Sie nach den Motiven von der Einladungskarte, und ich bedanke mich fürs Zuhören und Ihre Aufmerksamkeit!

 

Badische Zeitung vom 03.03.2023

Badische Zeitung vom 15.03.2023

 

[ zurück/retour ] [ Seitenanfang/haut ]